StartMaterialien & ProdukteNachhaltigkeitWie das Fundament für zirkuläres Bauen gelegt werden soll

Wie das Fundament für zirkuläres Bauen gelegt werden soll

Der Verein C33 verfolgt seit vergangenem Jahr das Ziel, Zirkularität immer mehr zum Standard im Schweizer Bauwesen werden zu lassen. Er selbst dient dabei als Koordinationsstelle, die auch aktiv Projekte umsetzt – dazu gehört der Aufbau eines besonderen Forums.

Es gibt sie durchaus, die Vorzeigebeispiele für nachhaltiges Bauen in der Schweiz. Da wäre zum Beispiel eine Sporthalle der Universität Zürich, welche vollumfänglich zerlegbar ist, aus lokalem Holz besteht und zu 85 Prozent wiederverwendet werden kann. Oder an der Müllerstrasse in Zürich, wo ein altes Bürogebäude konsequent nach dem Grundgedanken der Kreislaufwirtschaft saniert wurde. Das Gebäude erhielt unter anderem eine neue, offene Fassade, die aus recyceltem Aluminium besteht; ausserdem wurde der Beton vor Ort rezykliert.

Einen Schlüsselbegriff in diesem Zusammenhang bildet das zirkuläre Bauen. Kerngedanke hierbei ist, bei einem Bauprozess von der Entstehung eines Gebäudes nicht nur bis zu seinem Abriss, sondern bis zur Entstehung einer neuen Struktur zu denken. Die zuvor aufgewendeten Baustoffe sollen beim Abbau also nicht entsorgt, sondern so weit wie möglich für neue Projekte wiederverwendet werden. Man kann den Prozess des zirkulären Bauens somit als eine Kreislaufwirtschaft im Bausektor bezeichnen.

Das Sporthallenprovisorium Gloriarank in Zürich ist komplett demontabel und besteht aus lokalem Holz. Bild: Itten+Brechbühl AG

Die positiven Beispiele, bei denen zirkuläres Bauen konsequent umgesetzt worden ist, können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie global wie national nach wie vor noch die grosse Ausnahme bilden. So zeigt eine Studie der Netzwerkplattform Circular Economy Switzerland in Zusammenarbeit mit dem Beratungsunternehmen Deloitte Schweiz aus dem Jahre 2023, dass in der Schweiz nur 7 Prozent der verwendeten Rohstoffe aus sekundären Quellen wie Recycling stammen. Auf der anderen Seite werden pro Jahr 163 Millionen Tonnen neue Materialien verbraucht.

Wo die Fäden zusammenlaufen

Das Potenzial gerade auch für den Bausektor ist also beträchtlich. Dass gemäss Bundesamt für Umwelt vom gesamten Abfallaufkommen satte 57 Millionen Tonnen und damit knapp zwei Drittel auf Aushub- und Ausbruchmaterial aus der Bautätigkeit entfällt, unterstreicht dies zusätzlich. Hinzu kommen 17 Millionen Tonnen für den Rückbau von Strassen, Gebäuden und Bahntrassen. Ein Schritt in die richtige Richtung erfolgte im vergangenen Jahr durch das Schweizer Parlament, als es der Teilrevision des Umweltgesetzes zugestimmt und dieses um die Kreislaufwirtschaft ergänzt hat.

Das Bauwesen hat bezüglich Nachhaltigkeit noch viel Steigerungspotenzial. Bild Matthias Bader

Doch selbst mit einem strukturierteren rechtlichen Rahmen bleibt unter anderem aufgrund der zahlreichen Akteure entlang der Wertschöpfungskette im Bauwesen ein grosser Komplexitätsgrad erhalten. Umso wichtiger ist ein effizienter und koordinierter Wissensaustausch unter den verschiedenen Akteuren wie Planer, Architektinnen, Bauherren, Genossenschaften und der öffentlichen Hand zu zirkulärem Bauen.

Bis vor gut einem Jahr herrschte diesbezüglich in der Schweiz jedoch ein Vakuum, das seit Januar 2024 der Verein Schweizer Koordinationsstelle für zirkuläres Bauen, kurz C33, ausfüllt. Der Verein hat sich zum Ziel gesetzt, «zirkuläres Bauen und Bewirtschaften im Hoch- und Tiefbau in der Schweiz bis spätestens 2033 als das ‹neue Normal› zu etablieren». C33 nimmt dabei die Rolle einer Koordinationsstelle ein, die als neutrale Anlaufstelle Wissen bündelt und zugänglich macht sowie Akteure miteinander verknüpft. Dies spiegelt sich auch in der Liste der aktuell 35 Vereinsmitglieder sowie des Fachgremiums wider, wo Vertreter aus verschiedenen Bereichen wie Privatwirtschaft, Politik und Wissenschaft vertreten sind. C33-Geschäftsführerin Anja Bundschuh betont, wie entlang der Wertschöpfungskette das Bewusstsein mittlerweile vorhanden sei, dass Kreislaufwirtschaft ein effizientes Mittel ist, um nachhaltiger zu agieren und Klimaziele erreichen zu können. «In vielen Unternehmen geht es nun eher darum, wie man konsequent zirkulär planen und umsetzen kann, wobei diesbezüglich in vielen Bereichen der Standardisierungsgrad noch tief ist», erklärt sie.

Bereits mitten in der Umsetzung

Der Verein C33, der sich über Mitglieder- und Förderbeiträge finanziert, hat seit seinem Start bereits mehrere Projekte in die Wege geleitet respektive steckt dabei bereits mitten in der Umsetzung. Dazu gehört der Aufbau einer dynamischen Wissensplattform, die aus einer Q&A-Funktion für interaktive Diskussionen sowie einem KI-gestützten Chatbot zur Orientierung über bestehende Initiativen, Dienstleistungen oder Standards besteht. «Bald wird beim Forum eine Beta-Version präsentiert, die wir einem Testlauf unterziehen, bevor anschliessend eine weiterentwickelte Version für Interessierte nutzbar sein wird», ergänzt Anja Bundschuh. Akteure sämtlicher Stufen entlang der Wertschöpfungskette können dann ihr Wissen teilen und Fragen individuell beantwortet werden. Wann die ausgereifte Version lanciert wird, ist noch offen, doch solle dies möglichst zeitnah geschehen.

Anja Bundschuh im Gespräch mit Marloes Fischer, Mitgründerin und Teil des Vorstands von C33. Bild: C33

In der Aufbauphase von C33 erstellte der Verein eine Übersicht zum Schweizer Ökosystem rund um zirkuläres Bauen, die auch öffentlich einsehbar ist. Dabei fiel dem Verein auf, dass viele Interessengruppen bereits in einer Form aktiv sind und auch Kooperationen existieren, «allerdings wenig Output bereitgestellt und der Branche frei verfügbar gemacht wird», so die Geschäftsführerin. Eine zentrale Erkenntnis bei der Erstellung des Ökosystems war also, dass der Effort und das Wissen der Akteure noch nicht sichtbar gemacht worden ist – und genau diese Lücke möchte C33 ausfüllen. Damit diese wachsende Zahl an Akteuren sich gut vernetzen und das aufgebaute Wissen teilen kann, bildet C33 den neuen Verband für das zirkuläre Bauen.

Nicht weniger anspruchsvoll präsentiert sich das Projekt rund um die Messbarkeit von Zirkularität, bei dem C33 auf eine gewisse Vorarbeit zurückgreifen konnte. So veröffentlichte der Verein Madaster Schweiz eine erste Version eines Leitfadens dazu im Februar 2024, wobei unter anderem Vertreter aus der Wirtschaft, der Wissenschaft und dem Bundesamt für Umwelt daran beteiligt waren. «Es gibt zwar Zirkularitäts-Indizes wie den Ansatz nach Ellen MacArthur, doch musste dies helvetisiert werden, um für die Schweiz brauchbare Daten generieren zu können», erklärt Bundschuh den Prozess. Ein Blick ins Ausland zeigt, dass in den Niederlanden, eine der Vorreiterinnen bezüglich Zirkularität, bereits valable Messinstrumente inklusive Online-Tool für den Start eines Gebäude-Passports entwickelt worden sind.

Neue Produkte haben es nicht leicht

Nicht nur beim Messen, sondern generell beim zirkulären Bauen stellt sich die Frage, wo der Anfangspunkt liegt – wo beginnt man bei einem Kreis? Anja Bundschuh ortet den Start im Idealfall bei den Herstellern, die kreislauffähige Produkte anbieten. «Einen grossen Hebel hat ausserdem der Bauherr, in dessen Verantwortung es liegt, zirkulär zu bestellen. Es gilt, bereits bei der Planung und Ausschreibung den Lebenszyklus des Gebäudes mitzudenken. Auf diese Weise kann im Falle einer Sanierung oder Demontage mit dem Material weitergearbeitet und die Abfallmenge minimiert werden.»

Die CO₂-Werte beim Holzbau Hortus in Allschwil BL fallen sehr tief aus. Bild: Visualisierung zVg

Was die Materialfrage anbelangt, so zeigt sich hierzulande durchaus ein positives Bild, denn auf Produktebene ist aktuell vieles in Bewegung. Nicht nur grosse Akteure, sondern nicht zuletzt kleinere Unternehmen und Start-ups arbeiten beispielsweise an Dämmmaterial aus regenerativen Ressourcen. Ein ausgereiftes Produkt zu skalieren und marktfähig zu machen, ist allerdings anspruchsvoll, wie auch Anja Bundschuh bestätigt. «Mit solchen Produkten wird oftmals Neuland betreten. Anforderungen an Stabilität, Skalierbarkeit oder Toxizität müssen dabei gewährleistet sein. Entsprechend stehen die Unternehmen in der Verantwortung, die Umsetzenden bezüglich der Leistungsfähigkeit ihrer Produkte zu sensibilisieren.» Über Partnerschaften könne die Entwicklung der Produkte gemeinsam gelingen, was wiederum die Skalierung beschleunige.

Finanzindustrie ist doppelt wichtig

C33 legt den Fokus seinerseits auf die Umsetzung, wie Bundschuh betont. Eine Begleitung des politischen Prozesses auf dem Weg hin zu Zirkularität im Bau könne der Verein insofern bieten, als dass er auf Mitglieder zählen kann, die ein grosses Wissen mit- und einbringen.

Anja Bundschuh steht im Rahmen des letztjährigen Community-Anlasses von C33 auf der Bühne. Bild: C33

Was die kommenden Monate anbelangt, so würde man bei C33 gerne die Zusammenarbeit mit Hochschulen und Kantonen intensivieren, «zumal einige Kantone wie Zürich die klare Aufgabe haben, Zirkularität umzusetzen», so die studierte Kommunikationswissenschaftlerin und Politologin. So soll bestehendes Wissen aktiviert und bereitgestellt werden. Hinzu kommt das Einbeziehen der Finanzindustrie sowohl als Geldgeber als auch im Sinne eines wichtigen Akteurs, wenn es um die Realisierung von Projekten geht. «Plus bilden unsere bestehenden Projekte rund um die Messbarkeit von Zirkularität und den Aufbau einer dynamischen Wissensplattform im Prinzip die Grundlage dafür», ergänzt sie. Derweil ist man stets offen für Ideen und Fragen, die mithilfe oder durch die Koordination von C33 umgesetzt werden können.

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