Der Fachkräftemangel macht sich auch im Bausektor bemerkbar und so wurde das Berufsbildungssystem ergänzt, um dem Trend entgegenwirken zu können. Dazu gehört auch das Angebot von neuen Aus- und Weiterbildungen, die aktuelles Wissen und neue Kompetenzen vermitteln. Ausserdem soll dem Ruf der Branche als Männerdomäne entgegengesteuert werden.
Der technologische und wissenschaftliche Fortschritt sorgt in vielen Branchen für Veränderungen und innovative Ansätze – das gilt auch für das Bauwesen. Damit Fachkräfte mit den neuen und rasant voranschreitenden Entwicklungen mithalten und ihrer Kundschaft einen Service auf dem aktuellsten Stand bieten können, werden neue Berufsbilder geschaffen sowie passende Aus- und Weiterbildungen angeboten. Diese bauen auf dem Masterplan SBV-Berufsbildung 2030 auf, der eine bedeutende Revision vorsieht.
So hat die Entwicklung der Fachkräftesituation gezeigt, dass grosser Handlungsbedarf besteht, die Anzahl an gut ausgebildeten Fachkräften im Baugewerbe zu erhöhen. Wird dies nicht erreicht, könnten gemäss Berechnungen des Schweizerischen Baumeisterverbands bis zum Jahr 2040 bis zu 5’600 Fachkräfte in der Branche fehlen, was etwa 16,6 Prozent des Bedarfs entspricht. Innerhalb der Branche wäre insbesondere das Bauhauptgewerbe betroffen, wo etwa 31 Prozent der benötigten Fachkräfte fehlen würden.

Um dies zu verhindern, wurden unter anderem in verschiedenen Ausbildungsbetrieben und Schulen an verschiedenen Orten in der Schweiz Weiterbildungen für langjährige Mitarbeiter geschaffen. Diese sind Parifonds-Bau-berechtigt und vermitteln in kurzer Zeit das aktuelle Wissen sowie die nötigen Kompetenzen, damit die Fachkräfte nach aktuellem Branchenstandard ausgebildet sind. Besonders die Themenbereiche der Kommunikation, der Arbeitssicherheit und der Digitalisierung werden vertieft.
Aktualisierung der Berufsprofile
Konkret stehen ab Herbst 2025 zwei neue Branchenzertifikate zur Verfügung – die Weiterbildung Aktualisierung BauvorarbeiterIn 2030 sowie die Ausbildung Aktualisierung BaupolierIn 2030. Diese Fachkräfte werden auf dem Bau besonders gebraucht, denn gemäss dem Fachkräftemangel-Index Schweiz 2024 stehen diese beiden Berufsprofile sowie der Beruf der Produktionsleitung nach den Gesundheitsfachkräften gleich an zweiter Stelle der meistgebrauchten Berufe.
Bauvorarbeiter ermöglichen die Verbindung zwischen der Planung und der Ausführung auf der Baustelle. Das bedeutet, dass sie ein Team führen, die Arbeitsabläufe organisieren und sicherstellen, dass diese korrekt durchgeführt werden. Die Weiterbildung erfolgt praxisorientiert und so umfasst sie auch Elemente der Bauvorbereitung, die erst seit einigen Jahren in der Praxis zum Zug kommen. Ein Bauvorarbeiter muss einspringen können, wenn die Polierin ausfällt. Auf kleinen Baustellen kann es auch gut sein, dass die Bauvorarbeiterin die Aufgaben des Poliers gänzlich übernehmen muss.
Führungsaufgaben übernehmen
Während der Bauvorarbeiter als Teamleiter und Ausführender eher praktisch fungiert, trägt die Polierin als Führungskraft mehr Verantwortung. So stellt sie die technische und zeitliche Ausführung der einzelnen Arbeitsschritte sicher, weist den Mitarbeitenden Aufgaben zu und lässt den Bauvorarbeiter über den fortschreitenden Bauprozess mit allfälligen Problemen und Besonderheiten auf der Baustelle berichten.

Die Ausbildung als Baupolier bietet Fachkräften wie Bauvorarbeiterinnen mit ausreichend Erfahrung eine wertvolle Gelegenheit, in der internen Hierarchie eine Stufe höher zu steigen. Dabei können sie den persönlichen Wissensstand und die eigenen Fähigkeiten auf diesem Fachgebiet aktualisieren und praxisnah vertiefen.
Institutionen an vorderster Front
Die beiden Ausbildungen wurden vom Campus Sursee, dem ersten Bildungsanbieter ebendieser, entwickelt. Um umfassende Ausbildungen sicherzustellen, wurden diese einem strengen Qualitätssicherungsprozess unterzogen. Anschliessend hat die Steuergruppe Masterplan 2030, die für die Umsetzung des Plans zuständig ist, die Ausbildungen zur Durchführung freigegeben. Dadurch macht sich die enge Zusammenarbeit des Campus Sursee mit dem Schweizerischen Baumeisterverband bemerkbar, die es ermöglicht und sicherstellt, dass der Lernfeldkatalog qualitativ hochwertig umgesetzt und angewendet wird.
Auch die Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) bietet wertvolle Weiterbildungsmöglichkeiten. Diese umfassen den Master of Advanced Studies FHNW Digitales Bauen. Dieser ist in der Schweiz einzigartig; seit 2013 stellt er den ersten Masterstudiengang dar, der sich fundiert mit der Anwendung von digitalen Methoden über den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks beschäftigt.
Die Digitalisierung und der Baumeister 5.0
Ein bedeutender Aspekt der Weiterbildungen im Baubereich ist die Digitalisierung. Diese wird auch im Branchentransformationsprogramm Baumeister 5.0 thematisiert. Dieses Konzept wurde vom Schweizerischen Baumeisterverband entwickelt, um die Richtung, in welche sich die Branche bezüglich der Digitalisierung bewegen soll, vorzugeben.

Dabei wird hervorgehoben, dass die digitale Transformation nicht bloss den Einsatz von neuen Technologien bedeutet, sondern auch die Arbeitsweisen und Prozesse grundlegend verändert. Der Einsatz neuer Technologien hat jeweils zum Ziel, die Effizienz, Nachhaltigkeit und Qualität der Arbeit zu optimieren. Entsprechend werden auch die Aus- und Weiterbildungen so ausgerichtet, dass solche Arbeitsprozesse erlernt werden. Oder aber soll den Lernenden die Fähigkeit vermittelt werden, mit neuen Technologien umzugehen, sofern diese auf dem Bau Anwendung finden – eine nachhaltige Investition.
Frauenpower in Bauberufen
Um gegen den Fachkräftemangel in der Baubranche anzukämpfen, sollen in Zukunft auch mehr Frauen in diesem Berufsfeld willkommen geheissen werden. Aktuell machen sie knapp zwölf Prozent der Fachkräfte aus, auch weil die Baubranche mit gewissen Vorurteilen und unangenehmen Tendenzen zu kämpfen hat.
Doch dadurch, dass vermehrt verschiedene Geschlechter auf dem Bau gesehen würden, könnten ebensolche unerwünschte Muster abgeschwächt werden. Schliesslich kommt mehr Diversität auf dem Bau gleich wie in anderen Branchen mit vorteilhaften Effekten wie mehr innovativen und kreativen Ansätzen daher. Um mehr Frauen und andere Geschlechter für den Bau zu begeistern, greifen Bildungsinstitutionen zu einem inklusiven Marketing und versuchen, das berufliche Wachstum in der Branche möglichst attraktiv zu gestalten.