Beton gehört zu den meistverwendeten Rohstoffen, doch ist er aufgrund der Kohlenstoffdioxidemissionen bei seiner Herstellung ein echter Klimakiller. Dank neuer Prozesse kann der graue Rohstoff jedoch umweltschonender produziert und neu verwendet werden.
Im Bauwesen wird Beton in einem Umfang verwendet, dass dieser Rohstoff weltweit das am zweitmeisten konsumierte Produkt nach Wasser ist. Auch in der Schweiz ist Beton so beliebt, dass das Land mit jährlich 4,7 Tonnen pro Kopf in dieser Statistik unter den fünf grössten Betonverbrauchern weltweit liegt.
Die grosse Popularität des grauen Rohstoffs ist aus ökologischer Sicht problematisch, denn Beton ist sehr umweltschädlich; nicht nur, weil er viele Ressourcen benötigt, sondern werden ausserdem bei seiner Herstellung grosse Mengen an Treibhausgasen freigesetzt. Pro Tonne Beton entstehen rund 700 Tonnen CO2. Das bedeutet, dass die Herstellung von Beton gemäss dem Bundesamt für Umwelt 6 bis 7 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen ausmacht und damit mehr CO2 produziert als der gesamte Flugverkehr. Neue Ansätze versuchen daher, die Produktion von Beton umweltfreundlicher zu gestalten.
Vermeiden oder speichern
Selbstredend werden auch ausserhalb der Betonproduktion grosse Bestrebungen unternommen, die CO2-Emissionen bedeutend zu senken. Gemäss internationalen Vereinbarungen wie dem Pariser Klimaabkommen sollen die weltweiten Treibhausgasemissionen noch in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts auf netto Null reduziert werden, damit die Erderwärmung bis zu diesem Zeitpunkt die Zwei-Grad-Schwelle nicht übersteigt. Dies haben 55 Staaten, die mindestens 55 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verursachen, 2015 an der Weltklimakonferenz in der französischen Hauptstadt beschlossen. Auch wurden zahlreiche weitere Netto-Null-Allianzen von der Dachorganisation der Glasgow Financial Alliance for Net Zero, die im Rahmen der UN-Klimakonferenz COP26 gegründet wurde, vereint. Die Mitglieder dieser Allianzen verpflichten sich jeweils zu konkreten Klimazielen und formulieren jährlich ihre nächsten Zwischenziele zur Klimaneutralität, die sie der Öffentlichkeit präsentieren müssen.
Um das Netto-Null-Ziel zu erreichen, sieht Klimawissenschaftler Cyril Brunner von der ETH Zürich zwei Möglichkeiten: entweder die Bildung von CO2 bei der Herstellung direkt vermeiden oder es aus der Luft entfernen. «Letzteres fällt deutlich teurer und aufwendiger aus, weswegen es sich vielmehr empfiehlt, Emissionen zu vermeiden», erklärt der Dozent für Klimaphysik.

Der Grossteil des CO2 wird genau genommen bei der chemischen Reaktion von Kalkstein freigesetzt, und zwar bei der Herstellung von Zement, der wiederum als Bindemittel bei der Herstellung von Beton benötigt wird. Also kann ein Zementersatz oder eine Möglichkeit, den Zementanteil zu reduzieren, den CO2-Ausstoss von Beton verringern. Dank neuer Prozesse kann der Rohstoff tatsächlich sogar CO2 speichern und somit zum Klimaschutz beitragen, wie auch Beispiele aus der Schweiz zeigen. Durch solche innovative Betonsorten werden ganze Gebäude zu wertvollen CO2-Speichern.
Geheimzutat Pflanzenkohle
Das Unternehmen Klark aus Zürich verwendet einen speziellen Ansatz, mit dem es nach eigenen Angaben den «ersten klimaneutralen Beton der Schweiz» herstellt. Diese umweltschonende Betonmischung hat der Baustoffhersteller Logbau zusammen mit der Ostschweizer Fachhochschule entwickelt. Dabei wird dem Beton Pflanzenkohle aus Restholz beigemischt, sodass dieses die benötigte Betonmenge um ihr eigenes Volumen reduziert und gleichzeitig CO2 einspeichert. In einem Kubikmeter dieses Betons können bis zu 200 Kilogramm an Kohlendioxid Platz finden. Klimaneutral ist diese Mischung insofern, als dass das eingespeicherte CO2 das bei der Betonproduktion in die Luft freigesetzte Kohlendioxid kompensiert.
Die Kohle, die dem Beton beigegeben wird, entsteht als Abfallprodukt, wenn organische Abfälle beim Pyrolyseprozess verkohlt werden. Dabei wird die Biomasse in einem Behälter ohne Sauerstoff erhitzt, sodass sie möglichst vollständig verkohlt werden kann. «Dies ist genau dasselbe Prinzip, nach dem auch Grillkohle hergestellt wird», ergänzt Cyril Brunner. Nach diesem Prozess gilt die Kohle als stabil, weil sich der Kohlenstoff in seiner neuen Form nicht zersetzt. Solche Kohle kann auch auf natürliche Weise bei Vegetationsbränden entstehen und bleibt anschliessend jahrtausendelang stabil. Die Produktion der Pflanzenkohle kompensiert jene von CO2, indem sie 30 bis 50 Prozent des in der Pflanze natürlich vorkommenden Kohlenstoffs in stabilen molekularen Strukturen speichert. Würde sich die Pflanze zersetzen oder verbrannt werden, gelänge der Kohlenstoff in Form von CO2 in die Atmosphäre. Dies wird verhindert, wenn der Kohlenstoff in seiner festen Form in der Kohle eingespeichert bleibt. «Genau weil das CO2 in dieser Form so langfristig erhalten bleibt, kann es auch in die Erde eingearbeitet oder eben Beton beigegeben werden», sagt Brunner.

Ein weiterer Vorteil dieses Betons, der bereits bei einigen Projekten erfolgreich eingesetzt worden ist, besteht darin, dass er sich vollständig und mehrmals rezyklieren lässt. Auch ist er ein guter Wasserspeicher, was bedeutet, dass er eine bessere Frühfestigkeit hat, also schneller anfängt, sich zu verhärten, als übliche Betonmischungen, was beim Bau von Vorteil sein kann. Hat sich der Klark-Beton verfestigt, weist er eine etwas tiefere Dichte als herkömmliche Betonsorten auf, weswegen er bessere, wenn nicht gar gute, Schallschutzwerte aufweist.
In die Oberfläche eingebunden
Eine andere Methode, CO2 in Beton einzubinden, hat Neustark, ein Spin-off der ETH Zürich, entwickelt. Dabei wird CO2 aus Biogasanlagen verwendet und in die Oberfläche von Beton-Abbruchmaterial eingeführt. Der daraus resultierende Beton kann als Kiesersatz im Strassenbau dienen oder beim Recyclingprozess von Beton ebendiesem beigemischt werden. Auf diese Weise können Ressourcen sowie Produktionsmittel und -energie gespart werden, denn es wird weniger frischer Beton benötigt. Dank solcher Mineralisierung können etwa 10 Kilogramm Kohlendioxid in eine Tonne alten Beton eingebunden werden. Damit kann innerhalb einer Stunde so viel CO2 gespeichert werden, wie 50 Bäume innert eines Jahres umwandeln.
Ein gemischter Ansatz wird für Zirkulit-Beton des gleichnamigen Unternehmens verwendet. Dieses bezeichnet ihn als «ökologischsten Beton der Schweiz». So erreicht Zirkulit-Beton eine negative CO2-Bilanz, indem er nur den kleinstmöglichen Anteil an Zement benötigt und gleichzeitig zum Grossteil aus recycelten Sekundärrohstoffen besteht. Auch speichert er pro Kubikmeter Beton mindestens 10 Kilogramm an CO2, weil er Kohlendioxid in den Poren von altem Beton einlagert. Dort wird das CO2 durch eine chemische Reaktion gebunden, durch die Kalkstein entsteht.
Die Aufnahmekapazität steigern
Die Bindung von CO2 ist bei Beton ein natürlicher Prozess, der langsam voranschreitet, während der Beton noch verbaut ist. Deswegen ist die CO2-Aufnahmekapazität von Beton bis zum Ende seines Lebenszyklus zu rund einem Drittel ausgeschöpft. Im Recyclingprozess wird der Beton zerkleinert und allfällige Fremdstoffe werden entfernt. Dadurch kann er zusätzliches CO2 aufnehmen und wird anschliessend bei der Produktion von frischem Beton beigemischt.

Diese Ansätze hätten zwar das Potenzial dazu, einen erheblichen Teil zur Verlangsamung des Klimawandels beizutragen, doch reichen sie selbstredend nicht aus. «Am Schluss müssen wir mit allen Emissionen auf netto Null kommen», sagt Cyril Brunner, «was bedeutet, dass neue nachhaltige Strategien betreffend der Produktion und Nutzung von Rohstoffen gefunden werden müssen.» Da der Baubereich global etwa einen Drittel aller Emissionen verursacht, sieht der Klimawissenschaftler genau dort einen grossen Hebel, um eine substanzielle Wirkung zu erzielen.