StartMaterialien & ProdukteNachhaltigkeitDie Zukunft des Bauens: Kreislaufwirtschaft als Schlüssel zur Nachhaltigkeit

Die Zukunft des Bauens: Kreislaufwirtschaft als Schlüssel zur Nachhaltigkeit

Obwohl es sich bei der Kreislaufwirtschaft nicht um ein neues Phänomen handelt und damit nachweislich Ressourcen gespart und CO₂-Emissionen gesenkt werden können, hinkt die Schweiz im Bauwesen in punkto Nachhaltigkeit hinterher. Die Gründe dafür sind vielschichtig.

In der Schweiz ist das Bauwesen für einen erheblichen Teil des Ressourcenverbrauchs und der CO₂-Emissionen verantwortlich. Gemäss dem Bundesamt für Umwelt entfallen hierzulande etwa 50 Prozent des gesamten Rohstoffbedarfs und mehr als 80 Prozent des Abfallaufkommens auf das Bauwesen. Im Rahmen der Kreislaufwirtschaft geht es darum, diese Zahlen zu senken. Ziel bei diesem Ansatz ist es, Ressourcen möglichst lange im Wirtschaftskreislauf zu halten, Abfälle zu minimieren und den Einsatz neuer Rohstoffe zu verringern. Neben dem Recycling von Materialien geht es dabei auch um eine nachhaltigere Planung, den Wiederverwendungsansatz sowie den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks – von der Planung über die Bauphase bis hin zur Nutzung und dem Abriss.

Laut einer Studie der Netzwerkplattform Circular Economy Switzerland und dem Beratungsunternehmen Deloitte Schweiz liegt die Recyclingquote von Bauabfällen in der Schweiz derzeit lediglich bei etwa 7 Prozent. Diese Zahl verdeutlicht, dass nur ein kleiner Teil der anfallenden Materialien tatsächlich wiederverwertet wird und welches Potenzial in der Kreislaufwirtschaft steckt. Im internationalen Vergleich zeigt sich, dass Länder wie Belgien oder die Niederlande bereits deutlich weiter sind und Recyclingquoten von über 80 Prozent erreichen.

Bei einem Abriss muss längst nicht alles entsorgt werden. Bild: bogdan.hoda / Depositphotos

Vor allem bei der Wiederverwertung von Baustellenmaterialien besteht grosser Nachholbedarf. Die Ursachen dafür sind vielschichtig und reichen von technischen und infrastrukturellen Herausforderungen bis hin zu fehlendem Bewusstsein und unzureichenden Anreizen:

  • Komplexität der Materialien und Bauweisen:
    Ein wesentlicher Grund für die niedrige Recyclingquote ist die Komplexität der Baumaterialien. Moderne Gebäude bestehen oft aus einer Vielzahl unterschiedlicher Materialien wie Beton, Metall, Kunststoff, Glas und Holz, die in komplexer Weise miteinander verbunden sind. Diese Materialien lassen sich häufig nur schwer voneinander trennen, was das Recycling erschwert und den Aufwand immens erhöht. Dies führt dazu, dass viele Materialien nicht wiederverwendet werden können oder auf Deponien landen.

  • Fehlende Infrastruktur und Technologie:
    Die Schweiz hat noch nicht flächendeckend die notwendige Infrastruktur, um Baustellenmaterialien effektiv zu sammeln, zu sortieren und für das Recycling aufzubereiten. Zwar gibt es spezialisierte Unternehmen und Entsorgungsdienstleister, die auf das Recycling von Baumaterialien setzen, doch diese sind oft nicht grossflächig oder nicht mit allen Baustellen verbunden. In ländlicheren Gebieten und bei kleineren Bauprojekten fehlt es an geeigneten Anlagen, die eine effiziente Rückgewinnung von Materialien ermöglichen. Auch die Technologie zur besseren Trennung und Wiederverwertung von komplexen Baustellenmaterialien ist in vielen Fällen noch nicht ausreichend entwickelt.

  • Ungenügende wirtschaftliche Anreize:
    Ein weiterer Grund für die geringe Recyclingquote sind unzureichende wirtschaftliche Anreize. Der Abtransport und die Entsorgung von Baustellenabfällen sind in der Schweiz noch immer günstiger als die Investition in Recyclingprozesse. Bauunternehmen bevorzugen daher oft die kostengünstigeren Entsorgungsmethoden, anstatt sich mit dem aufwendigeren Prozess des Recyclings auseinanderzusetzen.

  • Mangelndes Bewusstsein und fehlende Schulung:
    Trotz wachsender Aufmerksamkeit für Nachhaltigkeit herrscht in der Baubranche noch immer ein Mangel an Bewusstsein und Fachwissen in Bezug auf die Kreislaufwirtschaft. Viele Akteure – von Bauunternehmen bis zu Architekten und Planerinnen – haben noch wenig Erfahrung mit der Implementierung von Recyclingstrategien und der Auswahl von wiederverwertbaren Baustoffen. Auch in der Ausbildung und beruflichen Weiterbildung wird die Kreislaufwirtschaft bislang noch nicht ausreichend behandelt. Dies führt dazu, dass die entsprechenden Kompetenzen in der Praxis fehlen, um das volle Potenzial auszuschöpfen.

  • Unzureichende gesetzliche Rahmenbedingungen:
    Obwohl die Schweiz auf politischer Ebene zunehmend auf Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft setzt, gab es bisher nur unzureichende gesetzliche Vorgaben. Zwar existieren mittlerweile Förderprogramme und Initiativen, um das Recycling von Baustellenmaterialien zu stärken, doch die rechtlichen Rahmenbedingungen sind noch nicht so verbindlich und umfassend wie in anderen Ländern. Eine verpflichtende Recyclingquote für Baustellenabfälle oder eine stärkere Integration von Recyclinganforderungen in die Bauvorschriften könnten zusätzliche Impulse für die Kreislaufwirtschaft geben.
Schweizer Städte könnten mit einer konsequenten Umsetzung einer Kreislaufwirtschaft ein anderes Gesicht erhalten. Bild: Leonardo AI

Gesetzliche Anpassungen 2025

Im Jahr 2025 treten in der Schweiz einige gesetzliche Anpassungen in Kraft, die die Kreislaufwirtschaft im Bauwesen vorantreiben sollen. Diese Änderungen sind Teil des Bestrebens, die Nachhaltigkeit in der Bauindustrie zu fördern und die Recyclingquote signifikant zu erhöhen:

  • Erweiterte Recyclingpflichten für Baustellenabfälle:
    Ab 2025 werden strengere Vorgaben für das Recycling von Baustellenabfällen eingeführt. Insbesondere müssen mehr Materialien wie Beton, Ziegel, Holz und Metall recycelt werden.
  • Förderung von Kreislaufwirtschaftsmodellen:
    Der Fokus auf die Nutzung von recycelten Materialien in Neubauten wird verstärkt. Architekten und Bauunternehmen werden dazu angehalten, verstärkt auf wiederverwertbare Baustoffe und kreislauffähige Materialien zu setzen.
  • Erhöhte Transparenz und Dokumentation:
    Es wird erwartet, dass die Baubranche künftig besser dokumentiert, welche Materialien in einem Gebäude verwendet werden. Diese Transparenz soll helfen, Materialien nach dem Abriss gezielt wiederzuverwenden oder zu recyceln.
Was Dämmmaterial anbelangt, so arbeiten gleich mehrere Schweizer Start-ups an umweltverträglicheren Lösungen. Bild: kosoff / Depositphotos

Schadstoffsanierung als ergänzendes Thema

Ein weiterer wichtiger Aspekt im Zusammenhang mit nachhaltigem Bauen und Kreislaufwirtschaft ist die Schadstoffsanierung. In der Schweiz gibt es viele ältere Gebäude, die häufig von einer sogenannten «unsichtbaren» Belastung betroffen, und mit Asbest, PAK (Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe), Formaldehyd, PCB (Polychlorierte Biphenyle) oder anderen giftigen Materialien belastet sind. Der sichere Umgang mit diesen Stoffen und ihre umweltgerechte Entsorgung sind eine wichtige Voraussetzung für die Wiederverwendung von Baumaterialien. Eine Verbesserung der Schadstoffsanierung und deren Integration in den Kreislaufwirtschaftsprozess könnte ein weiterer Schritt hin zu einer nachhaltigeren Bauweise sein.

Obwohl es im Schweizer Bauwesen erste Fortschritte in der Kreislaufwirtschaft gibt, bleibt der Weg also noch lang. Die niedrige Recyclingquote und die Herausforderungen bei der Wiederverwertung von Baustellenmaterialien erfordern weitere Anstrengungen von allen Beteiligten – von der Politik über Bauunternehmen bis hin zu Architektinnen und Ingenieuren. Auch wenn es durchaus Vorreiter hierzulande gibt. So beispielsweise das Architekturbüro in situ, das Fassadenelemente aus rezyklierten Bauteilen erstellt und in Neubauten integriert. Mit den teilweise bereits initiierten und weiteren geplanten gesetzlichen Anpassungen sowie der Entwicklung neuer Technologien und Prozesse für das Recycling und die Schadstoffsanierung könnte es schon bald vorwärtsgehen auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Bauwirtschaft.

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