StartMaterialien & ProdukteMaterialienLehm – ein alter neuer Baustoff

Lehm – ein alter neuer Baustoff

Könnte Lehm schon bald ein Comeback als populärer Baustoff feiern? Schliesslich wird er wegen seiner nachhaltigen Eigenschaften immer öfter von umweltbewussten Bauunternehmen verwendet. Ausschlaggebend dafür ist sein hiesiges Vorkommen sowie seine von Natur aus vorteilhaften Eigenschaften, die ein angenehmes Wohnerlebnis bereiten.

Braune Gebäude mit wenigen kleinen Fenstern und scheinbar brüchiger Festigkeit werden in der Regel mit einem warmen Klima assoziiert. Solche Lehmhäuser können in erster Linie in südlichen Ländern wie Marokko, Indien oder Thailand oft gesehen werden, doch auch Europa profitiert schon lange und mittlerweile wieder verstärkt von diesem umweltschonenden Baustoff. Ein Faktor, der Lehm so ökologisch macht, ist, wie oft er in unseren Breitengraden vorkommt. Idealerweise kann er sogar direkt in der Baugrube abgebaut werden.

Je nachdem, in welchen geologischen Gegebenheiten der schmierig-bröcklige Baustoff gefunden wird, unterscheidet er sich in seiner Zusammensetzung und Farbe. Auch enthält er abhängig der Verwitterung mehr oder weniger Kies, Sand und Ton. Je nach Anteil von letzterem lässt sich zwischen fettem und magerem Lehm unterscheiden. Bei einem hohen Tonanteil wird der Lehm fett genannt und eignet sich zum Beispiel zur Herstellung von Steinen gut. Der magere Lehm mit wenig Ton wird hingegen zum Verputzen verwendet. Um die Eigenschaften des Lehms nach Wunsch zu beeinflussen, können ihm Zuschläge wie gewisse Pflanzen oder Mineralien beigemischt werden.

Stark in Kombination

Nicht nur ist Lehm günstig und lässt sich einfach verarbeiten, auch bringt er nützliche Eigenschaften wie eine thermische Trägheit mit sich, dank der sich Lehmgebäude tagsüber kühl und nachts warm anfühlen. Nebst der Temperatur bleibt auch die Luftfeuchtigkeit in Häusern mit einem hohen Lehmanteil bemerkenswert konstant, denn der natürliche Baustoff ist sehr atmungsaktiv und gibt Feuchtigkeit so einfach ab, wie er sie aufnimmt. Auch können Lehmhäuser wie traditionelle Bauten mehrere hundert Jahre alt werden, denn aufgrund ihrer komplexen Struktur sind sie erstaunlich stabil. Zusätzlich ist Lehm für den Brandschutz sinnvoll, denn er ist nicht brennbar.

Lehm versteckt sich nicht sonderlich tief unter der Erdoberfläche. Bild: BespaliyA / Depositphotos

So ist es nicht weit hergeholt, dass umweltbewusste Bauunternehmen nun vermehrt auf dieses Material zurückgreifen. Nicht zufällig war Lehm als Baustoff letztes Jahr auch ein Thema an der Baumesse Swissbau in Basel. Dort haben Experten Möglichkeiten vorgestellt, wie Lehm als nachhaltiges Material noch besser in die zeitgenössische Architektur eingebunden werden könnte.

Während Lehm viele positive Eigenschaften mit sich bringt, so hat er auch unvorteilhafte Seiten. So ist er zum Beispiel wasserlöslich und recht weich, weswegen er eine doch relativ niedrige Tragkraft aufweist. Um das zu kompensieren, kann er mit Zement vermischt werden, was zwar die Ökobilanz des Baustoffs erheblich verschlechtert, doch dadurch wird Lehm in Kombination mit dem grauen Klimakiller für den Bau überhaupt sinnvoll.

In Kombination mit Stroh wird die Lehmmischung zu einer dicken Masse, mit der sich Holzbalkendecken gut füllen lassen. Bild: JozefKlopacka / Depositphotos

Auch kann mit einem festeren Material wie Holz oder Bambus gearbeitet werden, um die Form, die der Lehm annehmen soll, zu stärken. Holzrahmenkonstruktionen eignen sich gut für Wände, denn sie können mit Lehmsteinen aufgefüllt werden und liefern eine stabile Struktur für das eher brüchige Material. Solche Konstruktionen können sogar für den Selbstbau erworben werden. Auch kann Holz als Aussenhülle dienen, sodass mehrere Lagen Lehmputz auf sie aufgetragen werden. Mit Holzstützen dieser Art können Lehmhäuser sehr langlebig sein.

Zwei Arten der Verarbeitung

Lehm kann entweder trocken oder nass verarbeitet werden. Im trockenen Zustand kann er für Wände verwendet werden, und zwar in Form von vorgefertigten Steinen oder Platten. Je nach ihrer Dicke und Rezeptur kann der Lehm entweder zu schweren und wärmespeichernden Massivsteinen oder zu dünnen und wärmedämmenden Leichtlehmsteinen geformt werden. Der Nachteil dieser Bauteile besteht in ihrer Feuchtigkeitsempfindlichkeit, weswegen bei der Verwendung von solchen Lehmsteinen die erwähnte Rahmenkonstruktion nicht wegzudenken ist.

Einen gewissen Feuchtigkeitsgrad braucht die Lehmmischung jedoch, damit sie bei der Stampflehmbauweise verwendet werden kann. Dafür wird der krümelige Baustoff in jeweils etwa 10 cm dicken Schichten in die Schalungsform gekippt und dann durch Stapfen heruntergepresst und so verdichtet. Ein Vorteil dieser Technik ist, dass das Trockenschwindmass beim so aufgetragenen Lehm eher niedrig ist, was bedeutet, dass das Material nach dem Austrocknen verhältnismässig wenige Schwindrisse aufzeigt. Auch erodiert die auf diese Weise errichtete Wand nicht so schnell und hat unter anderem aufgrund ihrer Festigkeit eine höhere Lebensdauer. Ihr einziger Nachteil ist, dass sich ihr Entstehungsprozess aufwendiger gestaltet als der von alternativen Verfahren.

Dieses Muster ist charakteristisch für Schwindrisse im Lehm. Bild: tanarch / Depositphotos

Ein anderes Nassverfahren umfasst einen Lehmputz, der entweder im Spritzverfahren oder als Bewurf an die Wand gebracht werden kann. Lehmputz gehört zu den ältesten Bautechniken, stellt ein entsprechend einfaches Verfahren dar und lässt sich auf alle Arten von festem Basismaterial auftragen.

Geheimzutat Stroh

Eine clevere Verwendung von Lehm ist die Produktion von Strohlehm. Dieser wird zur Füllung von Holzbalkendecken und zur Ausfachung von Holzständer- und Fachwerkaussenwänden verwendet. Um Strohlehm herzustellen, wird Lehm mit Wasser verdünnt und in Form von Schlämme auf Stroh gegossen, oder aber wird das Stroh in die Schlämme getaucht. Je nachdem, wie hoch die Dichte der Schlämme sein soll, wird sie etwas unterschiedlich verarbeitet.

Für eine geringe Dichte kann die Schlämme sofort verwendet werden. Soll sie jedoch fester werden, sollte das Stroh einen Tag lang in der Mischung eingeweicht werden. Der Lehm dient also als Klebestoff zwischen den Halmen und lässt diese je nachdem mehr oder weniger aufweichen und somit mehr oder weniger Festigkeit liefern. Die finale Mischung sollte so dünn sein, dass sie die gewünschte Wärmedämmung liefert, und gleichzeitig so fest, dass sich in ihr ein Dübel befestigen lässt sowie stabil genug, damit sie eine Putzschicht tragen kann.

Der Hauptsitz von Alnatura in Darmstadt ist das grösste Bürogebäude Europas, das aus Lehm gebaut ist. Bild: Facebook Alnatura

Heute wird Lehm immer öfter auch von grossen Firmen verwendet, unter anderem mit dem Ziel, auf eine ressourcenschonende und CO2-arme Bauweise zu setzen und so gleichzeitig die Bevölkerung zu sensibilisieren. So hat zum Beispiel das Bio-Lebensmittel-Unternehmen Alnatura im hessischen Darmstadt das grösste Bürogebäude aus Lehm in Europa errichten lassen und hält dort seinen Hauptsitz. Durch solche Beispiele wird der gute Ruf von Lehm gefördert, denn jahrhundertelang wurde er verpönt und galt als Baustoff der Armen, weil er in den kolonialisierten Gebieten so populär war.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Must Read

spot_img